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Ein Junkie im Kreuzbund ... und das ist auch gut so!

Ja, ich bin ein Junkie, zumindest wenn man nach der landläufigen Vorstellung eines Junkies geht. Ich habe jahrzehntelang und phasenweise täglich illegale Drogen konsumiert, größtenteils von der Art, die man umgangssprachlich als „harte Drogen“ bezeichnet. Aber: Ich habe trotz diesem massiven Suchtmittelproblem mein Leben, meinen Job und meine „normalbürgerlichen Verpflichtungen“ auf die Reihe bekommen. Aber Überraschung: Ich bin trotz täglichem Konsum von all diesen Drogen selbstständig und ohne Hilfe von Anderen (Ärzten, Therapeuten o. Ä.) weggekommen.

Wovon ich aber nicht ohne Hilfe weggekommen bin ist der Alkohol. Erst als mein Alkoholkonsum außer Kontrolle geraten ist, hat es angefangen mein Leben so massiv negativ zu beeinflussen, dass es aus dem Ruder lief. Und erst beim Alkohol hatte ich dramatische körperliche und psychische Entzugserscheinungen, die ich in der Form noch von keiner anderen Droge kannte, und wegen derer ich mich letztendlich freiwillig in eine Entgiftungsklinik begeben habe.

Warum ich das alles schreibe? Sicherlich nicht, um illegale Drogen zu verharmlosen! Es geht mir vielmehr darum zu verdeutlichen, dass - abgesehen von vielleicht einigen wenigen Ausnahmen - der Alkohol die bei weitem schlimmste Droge ist, mit den invasivsten und dramatisch zerstörerischsten Nebenwirkungen. Lediglich die Tatsache, dass Alkohol in vielen Länder frei verfügbar ist, wiegt viele Menschen anscheinend in einer trügerischen Sicherheit, dass es so schlimm ja nicht sein kann. Und im Umkehrschluss werden vermeintlich nicht frei verfügbare Drogen als in der Unterwelt angesiedelt betrachtet, obwohl die meisten illegalen Drogen längst Einzug in alle Bereiche der Gesellschaft gefunden haben.

Leider scheint diese Denke auch im Kreuzbund immer noch verbreitet zu sein. Die Sucht nach Alkohol wird zwar als massives Problem erkannt, im Vergleich zur Sucht nach illegalen Drogen dann aber doch als nicht so furchtbar angesehen. Anders lässt sich wohl nicht erklären, warum das offizielle Öffnen des Kreuzbunds auch für Menschen mit Suchtproblematik im „illegalen Bereich“ immer noch ein so heißes Eisen und andauernder Diskussionspunkt in vielen Gruppen ist. Ich sag es mal ganz unverblümt: Alkoholsucht und die Sucht nach illegalen Drogen unterscheiden sich einzig und alleine im Status der Illegalität des Suchtmittels. Und die Tatsache, dass viele Drogen in Deutschland illegal sind, macht nicht zwingend aus jedem, der süchtig ist, einen hochgradig Kriminellen oder eine baldige Leiche auf dem Bahnhofsklo. Diese Denke ist so klischeehaft wie die, dass alle Alkoholsüchtigen Penner sind, die unter der Brücke schlafen.

Gerade vor dem Hintergrund, dass sich in jüngeren Generationen und in der heutigen Gesellschaft das Konsumverhalten und die Verfügbarkeit von illegalen Substanzen so stark verändern, macht solches Klischeedenken umso unangemessener. Kaum noch Leute konsumieren nur und ausschließlich eine Droge. Der Grund dafür ist einfach. Die meisten Konsumenten greifen heutzutage zu Drogen in der festen Überzeugung, die Wirkung nur gezielt zu nutzen und im Griff zu haben: Eine Line Speed zum Wachwerden, gerne mal Koks oder ne Pille auf Partys, Alkohol quasi als konstanter Begleiter … und am Ende als Gegenmaßnahme nen Joint oder Schlaftabletten, um überhaupt mal wieder runterzukommen. Daher wundert es auch kaum, dass man bei den meisten Suchtkranken von polytoxischen Problemen, als der Sucht nach mehreren Drogen in Kombination, spricht.

Man sollte meinen, dass gerade Menschen mit Alkoholsucht, die selber so mit Vorurteilen und Stigmatisierung zu kämpfen haben, offener und weniger klischeebehaftet mit generellen Suchtproblematiken umgehen. Ich habe das Glück, dass ich seit über sechs Jahren im Kreuzbund mit Gruppen und Menschen zu tun habe, die mich wegen meiner „vielfältigen Suchtvergangenheit“ nicht verurteilen oder ausgrenzen. Vielmehr bin ich an den meisten Stellen auf Interesse und Neugier gestoßen. So hat mir der Kreuzbund geholfen, jetzt bald sieben Jahre abstinent zu sein. Ich habe aus den Gruppenbesuchen unglaublich viel mitgenommen und kann guten Gewissens sagen, dass ich auch für andere einen wertvollen Beitrag leisten konnte.

Stimmen aus meiner Kreuzbundgruppe bestätigen mir, dass meine offene Art, auch über die Sucht nach illegalen Drogen zu sprechen, sie in ihrer eigenen Suchtbewältigung und im Umgang damit weitergebracht hat. Und als positiven Nebeneffekt gibt es nun in unserer Gruppe viele, die mit neu hinzukommenden Leuten mit ähnlicher (illegaler) Suchtvergangenheit viel verständnisvoller sprechen können, einfach weil sie von anderen Gruppenmitgliedern (wie mir) das Thema schon kennen. Daher mein Wunsch als Fazit: Lasst „Junkies“ in Euren Gruppen zu, seid unvoreingenommen und offen. Stellt Fragen und äußert ruhig auch Ängste. Aber verfallt bitte nicht in Klischees und Vorurteile, schließlich wünscht ihr Euch das für eure eigene Situation als Suchtkranker ja auch nicht!

 -- ein aus beruflichen Gründen anonym bleibender „Junkie“ aus dem DV Aachen --

Anmerkung K. Sprenger:
Dieser Artikel war ein Ergebnis aus unsere 2. Fachtagung in 2018 mit dem Thema „Der junge Kreuzbund im DV Aachen“. Leider waren nur 11 Gruppen (aus 34) vertreten und ausgerechnet diese Gruppen sind offen für jüngere Menschen, für alle Suchtkranken. Ich sage leider - unsere Referentin sagte wir seien auf einem guten Weg – 1/3 unserer Gruppen war vor Ort! Die Power Point Präsentation zur Fachtagung als PDF Datei kann hier gelesen oder heruntergeladen werden.

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